In der Veränderung der soziodemografischen Bevölkerungsstruktur und der Lebens- und Familienformen spiegeln sich die Veränderungen der Gesellschaft wider.
Unterschiedliche Lebenssituationen und Lebensformen von Frauen und Männern
Die Darstellungen der Wiener Bevölkerung nach Alter, Herkunft, Bildung, Erwerbssituation sowie Haushalts- und Familienformen zeigen die Vielfalt der Lebensrealitäten von Frauen und Männern in Wien und verdeutlichen einerseits die Heterogenität innerhalb der Geschlechter und andererseits die persistenten Differenzen zwischen den Geschlechtern:
Die sozioökonomischen Merkmale verweisen auf unterschiedliche Lebensbedingungen und -chancen von Frauen und Männern
Die verschiedenen Lebenssituationen von Frauen und Männern verweisen auf unterschiedliche Chancen hinsichtlich Beschäftigung, Einkommen und Gesundheit und unterschiedliche Lebensbedingungen im Bereich Wohnen und soziale Teilhabe.
Der Anteil der Erwerbstätigen, die in Wien wohnen oder nach Wien einpendeln, ist bei Frauen mit 61% geringer als bei Männern (66%). Noch geringer ist der Frauenanteil unter den Auspendler*innen. Die ungleiche Struktur der Erwerbstätigen und der Wohnbevölkerung verweist aber ebenso darauf, dass der Zugang zu Erwerbstätigkeit nach sozioökonomischen Merkmalen unterschiedlich verteilt ist: Eine geringere Erwerbsbeteiligung weisen vor allem ältere Frauen, Frauen mit türkischer Herkunft und Frauen mit niedriger oder mittlerer Ausbildung auf. Es ist zu vermuten, dass Frauen türkischer Herkunft, unter Berücksichtigung des Bildungsstatus und der Kinderzahl, de facto keine geringere Erwerbsbeteiligung aufweisen als Frauen österreichischer Herkunft.
Geschlecht ist eine übergeordnete Strukturkategorie, die entscheidenden Einfluss darauf hat, wie sich Alter, Herkunft, unterschiedliche Familienkonstellationen oder Bildung auf soziale, politische oder ökonomische Teilhabe, wie Finanz-, Zeit- und Raumressourcen oder auf gesellschaftliche Anerkennung auswirken. Wie stark sozioökonomische Merkmale Gleichstellungsziele beeinflussen, wird in weiteren Themen des Gleichstellungsmonitors genauer behandelt. Bereits die weiter sinkende Zahl Wahlberechtigter zeigt jedoch, wie wichtig es ist, geschlechtsspezifische Ungleichheiten im Kontext zusätzlicher Faktoren zu interpretieren.
Frauen als statistische Mehrheit, stellen eine politische Minderheit dar
In Wien stellen Frauen mit 51% mehr als die Hälfte der Bevölkerung, wodurch sie die statistische Mehrheit der Wohnbevölkerung bilden; das Geschlechterverhältnis unterscheidet sich aber wesentlich in verschiedenen Subgruppen. Die leichte Überzahl an Buben in den Kinderjahren gleicht sich im Erwerbsalter aus und wandelt sich zu einem Frauenüberschuss in der älteren Bevölkerung (ab 60+). Frauen stellen, trotz abnehmender Zahl, auch 2020 eine Mehrheit unter Personen mit maximal Pflichtschulabschluss und unter Pflegegeldbezieher*innen. Männer sind hingegen bei Erwerbstätigen, Pendler*innen sowie bei begünstigt behinderten Menschen in der Überzahl. Zudem weisen sie eher Lehrabschlüsse auf, während Frauen häufiger schulische und akademische Abschlüsse haben. Die frauendominierten und männerdominierten Subgruppen nehmen in unterschiedlicher Weise politischen Einfluss, sind aber auch in verschiedener Weise von sozial-, gesundheits- und familienpolitischen Regelungen betroffen.
Vor allem im Pensionsalter dominieren Frauen, wobei deren Interessen bei den Reformkonzepten für die Pensionen oftmals nicht das Gewicht zukommt, das ihnen qua Repräsentation zukommen sollte: Frauenpensionen sind weiterhin geringer als die Pensionen der Männer, da Pensionsbestimmungen an der männlichen Norm von durchgehender Vollzeiterwerbstätigkeit ausgerichtet sind. Diskontinuierliche Berufsverläufe und Teilzeitbeschäftigung, die für Frauen typisch sind, können kaum eine ausreichende Alterssicherung gewährleisten. Auch die Pflegevorsorge von Älteren ist an typisch männlichen Mustern orientiert. Sie baut ganz wesentlich auf die Pflege durch nicht erwerbstätige Verwandte – meist die Partnerin oder Töchter – auf, die sich zeitintensiv und längerfristig um pflegebedürftige Ältere kümmern können.
Ein höheres Pensionsantrittsalter von Frauen, wie es oft zur Diskussion steht, müsste in Rechnung stellen, dass ein längerer Verbleib im Erwerbsleben auch gesundheitlich möglich sein muss. Die Zahlen zeigen, dass die längere Erwerbstätigkeit von Frauen auch einen Anstieg des Frauenanteils unter begünstigt Behinderten im Alterssegment ab 60 Jahren mit sich bringt.