Kapitel B

Politische Partizipation

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Politische Partizipation

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Indikator B7
Politisches Engagement

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Gleichstellungsziele

Erhöhung der Partizipation von Frauen in der Wiener Politik

Der Indikator B7 Politisches Engagement bildet den Anteil der Personen ab, die in unterschiedlichen Formen politisch aktiv sind bzw. waren. Für das Jahr 2013 liegen auch Daten dazu vor, wie viele Menschen sich ein zukünftiges Engagement vorstellen können. Dafür wird auf die Wiener Lebensqualitätsstudie zurückgegriffen. Für 2018 liegen nur Daten zum momentanen politischen Engagement vor.

Im Jahr 2013 war das bisherige und das vorstellbare politische Engagement (z.B. Mitarbeit in einer politischen Partei, in gemeinnützigen Vereinen/NGOs, in Projekten der Stadt Wien zur Bürger*innenbeteiligung  oder in einer Bürger*inneninitiative), wie anhand der Daten der Wiener Lebensqualitätsstudie gezeigt, von Frauen geringer als das von Männern. Das bisherige politische Engagement liegt bei Frauen aller Altersgruppen zwischen 38% und 42%. Am wenigsten politisch aktiv sind junge Frauen bis 24 Jahre, nämlich nur 38%. Vor allem in der Altersgruppe der über 65-Jährigen wird der Geschlechterunterschied deutlich, dort steigt das tatsächliche Engagement der Männer, während das der Frauen im Vergleich zu Alterskohorte ab 45 Jahren sinkt. Ein höherer Prozentsatz an Frauen wie auch an Männern könnten sich 2013 jedoch vorstellen, politisch aktiv zu sein. Hier tritt derselbe Alterseffekt wie beim tatsächlichen politischen Engagement auf. Anders als beim tatsächlichen politischen Engagement können sich junge Frauen bis 24 Jahren jedoch in sehr hohem Ausmaß vorstellen, sich politisch zu engagieren; dieses mögliche Engagement nimmt in jeder Altersstufe um einige Prozentpunkte ab und nur noch 40% der über 65-jährigen Frauen können sich politisches Engagement vorstellen. Allerdings sinkt eine mögliche politische Aktivität auch bei Männern in dieser Altersgruppe.

Zwischen 2013 und 2021 hat, wie die Daten nahelegen, eine politische Mobilisierung der in Wien lebenden Frauen stattgefunden, denn der Prozentsatz der politisch engagierten Frauen ist in allen Altersgruppen gestiegen und liegt nun zwischen 47% und 49%. Allerdings wurde die Frage nach politischem Engagement etwas modifiziert gestellt, was die These unterstreicht, dass Frauen sich in anderer Weise gesellschaftlich engagieren als Männer [Anm. 5]. Bei den jungen Frauen der Altersgruppe bis 24 Jahre war der Anstieg des politischen Engagements mit 10%-Punkten am deutlichsten; auch ältere Frauen über 65 Jahre sind deutlich politisch engagierter. Wie 2013 ist die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen am politisch aktivsten. In allen Altersgruppen ist der Geschlechterunterschied nahezu ausgeglichen, obschon Männer zwischen 45 Jahren und 64 Jahren weiterhin politisch engagierter sind als Frauen.

Mögliche Ursachen für den Anstieg des politischen Engagements der jungen Frauen könnten „Jugendbewegungen“ wie „Fridays for Future“ sein. Dieser Anstieg kann aber auch auf die modifizierte Frage zurückzuführen sein: Denn statt nach Beteiligung in einer Bürger*inneninitiative wurde 2021 nach Gemeinschaftsaktivitäten in der Wohnumgebung gefragt. Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass Frauen sich eher im engeren Umfeld, in der sogenannten „kleinen Politik“ engagieren. Deutlich ist aber, dass Frauen nach einer zeitlich belastenden „Kinderphase“ mehr politisches Engagement zeigen. Darüber hinaus zeigen die Daten, dass Parteien nach wie vor kein Ort für die Partizipation von Frauen sind; Parteien blieben auch in Wien männerbündisch verfasst und geben Frauen wenig Anreize zu politischem Engagement. Das weibliche Parteiengagement stieg zwischen 2013 und 2021 nur um einen Prozentpunkt. Männer engagieren sich weit häufiger als Frauen in Parteien (2021: nur 9% der Frauen, aber 18% der Männer). Wie Frauen engagierten sich auch Männer deutlich häufiger in NGOs und in der Wohnumgebung.

Interessante Unterschiede zeigt die Interaktion von Geschlecht und finanzieller Deprivation. Im Jahr 2013 waren mehr Frauen, die finanziell depriviert lebten, als Frauen ohne finanzielle Deprivation politisch engagiert: Während nur 8% der Frauen ohne finanzielle Deprivation Angebote der Stadt Wien zur Bürger*innenbeteiligung wahrnahmen und 11% der Frauen mit finanzieller Deprivation, waren 9% der Frauen ohne finanzielle Deprivation, aber 12% mit finanzieller Deprivation in Parteien engagiert. In NGOs und bei Gemeinschaftsaktivitäten/Bürger*inneninitiativen waren Frauen ohne finanzielle Deprivation politisch aktiver als jene mit finanzieller Deprivation.

Männer ohne finanzieller Deprivation waren bei allen politischen Beteiligungsformen aktiver als Frauen mit demselben sozialen Status; in Bezug auf die Angebote der Stadt Wien zur Beteiligung, bei der Mitarbeit in NGOs und in Parteien waren Frauen mit finanzieller Deprivation aktiver als Männer derselben sozialen Statusgruppe. Im Jahr 2021 stieg das politische Engagement bei Gemeinschaftsaktivitäten/Bürger*inneninitiativen bei Frauen beider sozialen Statusgruppen gegenüber 2013 deutlich an. Allerdings sank das politische Engagement allen anderen Beteiligungsformen bei Frauen beider Statusgruppen. Nur Frauen ohne finanzielle Deprivation engagierten sich 2021 in gleichem Maße wie 2013 in politischen Parteien, allerdings auf einem niedrigen Niveau von 9%. Bei Männern beider Statusgruppen stieg zwischen 2013 und 2021 das politische Engagement bei Gemeinschaftsaktivitäten/ Bürger*inneninitiativen und bei den Angeboten der Stadt Wien zur Beteiligung und übersteigt in beiden Jahren deutlich das Engagement der Frauen.

Dagegen ging das Engagement von Männern bei NGOs und in politischen Parteien in beiden Statusgruppen im Vergleich zu 2013 zurück, bis auf die NGO-Beteiligung in der Gruppe der Männer mit finanzieller Deprivation, die bei 19% blieb und damit in beiden Jahren niedriger war als bei Frauen derselben sozialen Gruppe. Insgesamt schien ein finanziell deprivierter Status Frauen im Jahr 2013 eher dazu zu motivieren, sich politisch zu engagieren. Sie waren 2013 öfter engagiert als Frauen ohne finanzielle Deprivation und als Männer mit finanzieller Deprivation. Im Jahr 2021 scheinen Frauen mit und ohne finanzieller Deprivation den Glauben in ihre politische Wirksamkeit verloren zu haben, weshalb sie sich weniger politisch engagieren, außer in Bürger*inneninitiativen, wo Frauen 2021 in viel höherem Maße angaben, politisch aktiv zu sein als 2013 (siehe Indikator H4.1).

Migrations-Fokus 2016

Entsprechend den Daten des Wiener Frauenbarometers (2015) besteht in der politischen Partizipation wenig Unterschied zwischen Wienerinnen ohne Migrationshintergrund (36%) und Frauen mit Migrationshintergrund EU-/EFTA-Staaten (35%), wohl aber zu Frauen mit Migrationshintergrund Drittstaat (30%) hinsichtlich der Mitarbeit in politischen Parteien, bei BürgerInneninitiativen, Angeboten der Stadt Wien oder in Vereinen. Das geringere Engagement von Frauen mit Migrationshintergrund Drittstaat wird durch ihre rechtlich eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeiten, ihren geringeren Bildungsstand, ihre höhere Armutsgefährdung und geringere Zeitressourcen mitbestimmt (vgl. Zandonella, Larcher 2015). Frauen mit Migrationshintergrund weisen aber ein erhebliches Partizipationspotenzial auf, wie die Ergebnisse zur Frage, wieweit sich die Frauen ein Engagement in politischen Parteien, bei BürgerInneninitiativen, bei Angeboten der Stadt Wien und in politischen Parteien vorstellen können, zeigen: Wienerinnen mit Migrationshintergrund weisen mit 67% sowie 64% ein höheres vorstellbares politisches Engagement auf als Frauen ohne Migrationshintergrund (53%).

Deutlich höher als in den in der Wiener Lebensqualitätsstudie abgefragten vier Kategorien ist die politische Partizipation von Wienerinnen bei Volksbefragungen, Petitionen und Kundgebungen. Zugleich zeigen sich große Unterschiede zwischen den Frauengruppen, hinsichtlich der Beteiligung an Volksbefragungen oder Volksbegehren, da dies mit dem Besitz der österreichischen StaatsbürgerInnenschaft als Voraussetzung zusammenhängt. Beim zivilgesellschaftlichen Engagement in der Flüchtlingshilfe, für politische Themen in sozialen Medien oder auch in religiösen Vereinen sind die Unterschiede je nach Migrationshintergrund geringer bzw. beteiligen sich Frauen mit Migrationshintergrund stärker.

Auch bei den Themen, für die sich Frauen politisch engagieren, erweisen sich die unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund als ausschlaggebend. Frauen mit Migrationshintergrund Drittstaat, die in stärkerem Ausmaß mit Kindern zusammenleben und seltener erwerbstätig sind,  engagieren sich eher für Kinder- und Jugendthemen. An Aktionen für den Umwelt- und Tierschutz, für Arbeitsrechte sowie für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern beteiligen sich Frauen ohne Migrationshintergrund stärker.