Kapitel D

Bezahlte und unbezahlte Arbeit

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Kapitel D

Bezahlte und unbezahlte Arbeit

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Resümee

Die Unterschiede in der Erwerbstätigkeit (der bezahlten Arbeit) von Frauen und Männern resultieren auch aus der unterschiedlichen Beteiligung an unbezahlter Arbeit. Verantwortlichkeiten und Unterstützung bei unbezahlter Arbeit bestimmen die Verfügbarkeit für bezahlte Arbeit mit. Umgekehrt beeinflussen die Arbeitsmarktchancen und die Bewertung von Erwerbsarbeit die Arbeitsteilung in der Familie. Zudem kommt dem Wohlfahrtsstaat durch die Ausgestaltung seiner Leistungen eine prägende Rolle bei der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zu. Berufswahl und begrenzte Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt sind ohne die Berücksichtigung der unbezahlten Versorgungs- und Betreuungsarbeiten im Privatbereich nicht thematisierbar. Doch während Erwerbsarbeit aufgrund ihres hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellenwerts und der damit verbundenen finanziellen Ressourcen statistisch relativ gut zu erfassen ist, ist es deutlich schwieriger, Ausmaß und Struktur der unbezahlten Arbeit quantitativ zu beschreiben. Zudem ist die Abgrenzung zwischen unbezahlter Arbeit und Freizeitaktivitäten nicht immer ganz einfach: Ein wesentliches Kriterium ist hierbei das so genannte Drittpersonenkriterium – sobald eine unbezahlte Tätigkeit von einer dritten Person erledigt werden kann, ist sie tendenziell unbezahlte Arbeit und keine Freizeitbeschäftigung (zum Thema Freizeitbeschäftigung siehe Kapitel E Freizeit und Sport).

Steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen, aber wenig Indizien für Veränderung der Verteilung unbezahlter Arbeit

Die Arbeitsteilung von Frauen und Männern hat in den vergangenen Jahrzehnten zwar einen massiven Wandel erfahren, indem heute mehr Frauen erwerbstätig sind und Berufsunterbrechungen durch Familienphasen kürzer ausfallen. Dies trifft für Wien noch stärker zu als für Gesamtösterreich. Zwischen 2011 und 2019 ist der Anteil der erwerbstätigen und arbeitsuchenden Frauen in Wien von 72% auf 75% gestiegen. Doch mit der anschwellenden Arbeitslosenquote erhöht sich auch die Zahl von Frauen, die erwerbstätig sein wollen, aber keine Beschäftigung finden. Aufseiten der bezahlten Arbeit zeigt sich also durchaus eine zunehmende Angleichung von Frauen und Männern.

Anders stellt sich die Situation aufseiten der unbezahlten Arbeit dar. Aufgrund der mangelnden Datenlage kann im Wiener Gleichstellungsmonitor 2021 keine eindeutige Veränderung der Arbeitsteilung in der Familie beschrieben werden. Doch Studien zur unbezahlten Arbeit verweisen darauf, dass diese weiterhin stark durch die traditionelle Arbeitsteilung von Frauen und Männern geprägt ist, die Frauen die Hauptverantwortung überlässt und dies aufgrund der Corona-Krise sogar noch weiter verschärft wurde (vgl. OECD 2021, Mader et al. 2021). Die Nutzung von institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen ist in den vergangenen Jahren weiter gestiegen und ermöglicht damit jedenfalls eine erleichterte Vereinbarkeit von Familie und Beruf; wie viele Kinder jedoch effektiv und durchgängig in den letzten beiden Jahren in institutionelle Kinderbetreuung gehen konnten, ist nicht abschätzbar und wesentlich von Lockdowns und Quarantänezeiten überschattet.

Die Entwicklung bei den institutionellen Angeboten für Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Erwachsener verweist allerdings auf keine eindeutige Entlastung für Frauen, die dafür vermehrt zuständig sind. Gemessen an der wachsenden Zielgruppe der über 75-jährigen Wiener Bevölkerung, ist die Betreuungsquote durch ambulante Pflegedienste relativ konstant geblieben, bei stationären Pflegediensten sogar gesunken. Wie sich die Pflege und Betreuung von Angehörigen in der Pandemie verändert hat und ob hier die Belastungen von Frauen nochmals verschärft wurden, wäre ein wesentliches zu erschließendes Forschungsfeld, jedenfalls aber anzunehmen (vgl. EIGE 2020).

Frauen mit Kindern bleiben mehrheitlich „Zuverdienerinnen“

Die Verteilung von Erwerbsarbeit in Paarhaushalten zeigt, dass eine egalitäre Arbeitsteilung bei Paaren ohne Kinderbetreuungsverpflichtungen stärker gegeben ist, aber bei Paaren mit zu betreuenden Kindern Frauen mehrheitlich Zuverdiener*innen bleiben.

Bei einem relativ großen Anteil der Paare ohne Kinder bis 18 Jahre sind beide in einem ähnlich hohen Ausmaß erwerbstätig, bei einem Drittel arbeiten beide Vollzeit, bei 10% sind beide teilzeitbeschäftigt.

Dagegen lebt weniger als ein Viertel der Paare mit Kindern unter 18 Jahren eine Gleichverteilung. Auch darum finden sich Frauen nach Trennungen als Alleinerzieherinnen oftmals in finanziell prekären Lagen. Der Einkommensbeitrag von Frauen zum gemeinsamen Einkommen liegt noch öfter unter dem Einkommen von Männern: Selbst bei Paaren ohne Kinder trägt nur ein Drittel der Frauen 50% oder mehr zum Haushaltseinkommen bei; 40% der Frauen verdienen weniger als 40% des gemeinsamen Einkommens. Bei Paaren mit Kindern erhöht sich der Anteil der Frauen, die weniger als 40% des Einkommens beitragen, auf 62%. Es ist davon auszugehen, dass bei Paaren, bei denen die Frau deutlich weniger zum Erwerbseinkommen beiträgt, die unbezahlte Arbeit primär von Frauen getätigt wird.

Steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen, allerdings überwiegend mit Teilzeit

Während bei der Erwerbsbeteiligung in den vergangenen Jahren eine kontinuierliche Angleichung von Frauen und Männern zu beobachten ist, bleiben die Unterschiede im Arbeitszeitausmaß weitgehend bestehen. Die Erwerbstätigenquote von Frauen liegt in Wien nur noch 3 Prozentpunkte unter jener von Männern und zeigt Einbrüche in den Jahren, die gewöhnlich durch Geburten und Kinderbetreuung gekennzeichnet sind. Diese Unterschiede werden größer, wenn Personen in Karenz nicht zu den Erwerbstätigen gezählt werden, und vor allem dann, wenn die Arbeitszeit berücksichtigt wird. Denn Familie wirkt sich weiterhin unterschiedlich auf die Arbeitszeit von Frauen und Männern aus: Während bei Männern der Anteil der Vollzeitbeschäftigten mit Kindern und Partner*in zunimmt, sinkt er bei Frauen: 29% der allein lebenden Frauen und 53% der Frauen in Paaren mit Kindern sind teilzeitbeschäftigt; 17% der allein lebenden Männer und 13% der Männer in Paaren mit Kindern sind teilzeitbeschäftigt. Dass Frauen in Paarhaushalten auch ohne Kinder eine doppelt so hohe Teilzeitquote aufweisen wie Männer, hängt u.a. damit zusammen, dass sie nach betreuungsbedingter Arbeitszeitreduktion oft nicht die Möglichkeit haben, in Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren oder nach Kinderbetreuungsphasen Betreuungszeiten für pflegebedürftige Angehörige folgen. Dies resultiert mitunter auch daraus, dass sie eine Beschäftigung mit branchenspezifischen Anforderungen aufnehmen, in denen überwiegend nur Teilzeitbeschäftigungen angeboten werden.

Die gleichstellungspolitische Ambivalenz dieser begrenzten Arbeitsmarktintegration wird im Zusammenhang mit Teilzeitarbeit offensichtlich. Teilzeitarbeit ist einerseits eine Möglichkeit, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu bewältigen, und eröffnet damit die Chance, durchaus auch eine Work-Life-Balance herzustellen oder sogar überhaupt erwerbstätig sein zu können. Andererseits wirkt sich Teilzeitbeschäftigung einschränkend auf Berufsmöglichkeiten, Karriereentwicklung sowie ökonomische und soziale Absicherung aus.

Mit dem Sinken der Anteile von teilzeitbeschäftigten Jugendlichen und einem geringen Anstieg von Frauen in Paarbeziehungen mit Kindern sowie einem deutlichen Anstieg des Anteils der Alleinerzieherinnen scheint sich abermals die Struktur der Teilzeitbeschäftigten zu verschieben. Teilzeitarbeit aufgrund von Betreuungsaufgaben scheint wieder zu zunehmen, während hingegen der Berufseinstieg über Teilzeitarbeit, entweder durch Nebentätigkeiten während der Ausbildung oder durch beschränkte Integration beim Berufseinstieg (Stichwort Generation Praktikum) etwas weniger deutlich ausgeprägt ist als noch 2016.

Beharrliche Spaltung des Arbeitsmarktes in Frauenbereiche mit weniger sozialer Absicherung sowie niedrigem Einkommen und in Männerbereiche mit besseren Chancen

Die Verantwortung für die Reproduktionsarbeit führt zu einer begrenzten oder partiellen Erwerbsbeteiligung von Frauen, die nicht nur die Chancen auf eine eigenständige Existenzsicherung einschränkt, sondern Frauen auch auf spezifische Berufspositionen verweist. Männer sind überwiegend auf den Produktionsbereich konzentriert und sind zudem vermehrt als Arbeiter und Selbstständige tätig. Sie erreichen in einem höheren Ausmaß leitende Funktionen. Frauen sind überwiegend als Angestellte tätig, primär im Dienstleistungsbereich: Trotz zunehmender Bildung der Frauen, kann jedoch die gläserne Decke zu Top-Positionen nicht durchstoßen werden.

Die Daten zur horizontalen Segregation zeigen, dass der Anteil der Beschäftigten in Berufen mit einem relativ ausgeglichenen Geschlechterverhältnis, den gemischten Berufen, konstant bleibt. Frauendominierte Berufe weisen insgesamt einen höheren Anteil der Beschäftigten auf, sind aber weniger stark von Frauen dominiert als männerdominierte Berufe von Männern. Männerdominierte Berufe umfassen überwiegend Führungskräfte, naturwissenschaftliche Berufe sowie Handwerks- und verwandte Berufe. Insofern zeigen sich bei der vertikalen Segregation wenig Fortschritte Richtung Gleichstellung. Der Frauenanteil bei Angestellten in führenden Tätigkeiten stieg zwar um 5 Prozentpunkte, bei Angestellten in höheren Tätigkeiten sank der Frauenanteil jedoch um 2 Prozentpunkte. Diese Beharrlichkeit der horizontalen und vertikalen Segregation geht einher mit einem steigenden Anteil von Frauen in atypischen Beschäftigungsformen sowie bei Selbstständigen. Insgesamt steigt damit der Anteil von Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, die nicht oder nur eingeschränkt sozialversicherungs- und arbeitsrechtlich abgesichert sind und niedrige Stundenlöhne aufweisen. Teilzeit- und geringfügig beschäftigte Frauen beziehen damit nicht nur wegen der eingeschränkten Arbeitszeit, sondern auch wegen der niedrigen Stundenlöhne oft geringe Einkommen. Außerdem: während der Anteil der Frauen in atypischer Beschäftigung im Wesentlichen seit 2015 konstant geblieben ist, sank er bei Männern um 2 Prozentpunkte.

Schlussfolgerungen zu den Gleichstellungszielen für bezahlte und unbezahlte Arbeit

Mit der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen haben sich die Lebensrealitäten und Rollen vieler Frauen verändert, sind ihre Aufgaben und Zuständigkeiten gewachsen – und damit zumindest ein Stück auch ihre ökonomische Unabhängigkeit. Doch aufseiten der unbezahlten Arbeit scheint es weniger Entlastung zu geben. Das Angebot institutioneller Betreuungsangebote für Kinder steigt und wird auch genutzt, Angebote für die Pflege von Angehörigen nehmen nicht im selben Ausmaß zu. Zudem bleibt die private Arbeitsteilung dem Modell des „modifizierten männlichen Ernährermodells“ verhaftet, gemäß dem der Mann den Hauptteil des Familieneinkommens erbringt, während die Erwerbstätigkeit der Frau einer Zuverdienstrolle gleichkommt und ihr die Hauptverantwortung für unbezahlte Arbeit überlassen bleibt. Damit ändert sich ebenso wenig an der horizontalen und vertikalen Segregation, wodurch prekäre Beschäftigungsverhältnisse weiterhin verstärkt Frauen betreffen. Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte beziehen folglich nicht nur wegen der eingeschränkten Arbeitszeit, sondern auch wegen der Stundenlöhne oft sehr niedrige Einkommen.