Bildung sowie Aus- und Weiterbildung sind eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, während geringe Qualifikation als zentrales Risiko für finanzielle und soziale Ausgrenzung gilt. Bildungsstand und fachliche Spezialisierung bestimmen in hohem Maß Erwerbschancen und Verdienstmöglichkeiten, aber auch das Risiko von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Besonders deutlich wird dies im erhöhten Arbeitslosenrisiko von Personen mit geringem formalem Qualifikationsniveau: Fast die Hälfte der arbeitslosen Personen verfügt maximal über einen Pflichtschulabschluss; die Arbeitslosenquote von Personen ohne berufliche Ausbildung liegt bei 44% (vgl. AMS 2021).
Mädchen haben in der Bildung deutlich aufgeholt; dies gilt für Wien angesichts des guten Angebots an höheren Schulen und Universitäten sowie der höheren Bildungsbeteiligung der Wiener*innen noch stärker als für Gesamtösterreich. Dies betrifft jedenfalls das erreichte Bildungsniveau, in dem der Anteil von Frauen mit maximal Pflichtschulabschluss sinkt und Frauen bei den Universitätsabsolvent*innen mittlerweile die Mehrheit bilden. Insgesamt ist zu betonen, dass dies vor dem Hintergrund einer in Österreich geringen Bildungsmobilität geschieht. D.h. Bildungsabschlüsse sind in Österreich nach wie vor in hohem Maße „vererbt“ (Statistik Austria 2018). Inwiefern diese Vererbung geschlechtsspezifisch unterschiedlich erfolgt, wäre eine interessante Frage, die mit einem eigenen Indikator, in dem die Bildungsabschlüsse der Elterngeneration mit denen der Kinder verglichen werden, erhoben werden könnte. Die Spaltung in frauendominierte Bildungsbereiche und männerdominierte Bildungsbereiche, d.h. die horizontale Bildungssegregation, bleibt hingegen bestehen und hat Auswirkungen auf Beschäftigungs-, Aufstiegs- und Einkommenschancen. „Frauentypische“ Bildungsbereiche sind nicht in gleichem Maße beruflich verwertbar wie „männertypische“ Bereiche. Dementsprechend kommt der horizontalen Segregation auf unterschiedlichen Bildungsstufen (inkl. Weiterbildung) eine enorme Bedeutung für die Gleichstellung von Frauen und Männern zu (vgl. Schäfer und Gottschall 2016) (siehe Indikator D9.1).
Keine sichtbaren Unterschiede zwischen Mädchen und Buben in der vorschulischen Bildung
Die vorschulische Bildung nimmt eine wichtige Rolle für die Sozialisation der Kinder und als Bildungsbasis für die weitere Schulkarriere ein. Der Anteil der betreuten Kinder ist in Wien seit 2016 bei den bis zu Zweijährigen von 45% auf 44% gesunken und liegt damit weiterhin über der gesamtösterreichischen Quote. Bei den Drei- bis Fünfjährigen ist die Situation seit 2016 mit einer Betreuungsquote von rund 93% stetig geblieben und entspricht damit der Situation in Österreich. In der vorschulischen Bildung zeigen sich – zumindest was die Partizipation von Mädchen und Buben betrifft – noch keine Geschlechterunterschiede. Wieweit es dabei Unterschiede durch die Qualität der Betreuung gibt, Buben in anderen Kompetenzen gefördert werden als Mädchen, ist mit der gegebenen Datenlage nicht zu beantworten, wie insgesamt wenig geschlechtsspezifische Daten zu betreuten Kindern und Betreuungspersonen in der Kindertagesheimstatistik vorliegen. Es ist davon auszugehen, dass Geschlechterrollen durch die Vorbildfunktion der Betreuungskräfte stark geprägt werden. Mit einem Frauenanteil des Betreuungspersonals von 97% sind auch in Wien in der institutionellen Kinderbetreuung weiterhin kaum Männer vorhanden.
Die horizontale Segregation nach Fachrichtungen und Schulformen ändert sich wenig
Mit der Ausdifferenzierung der Bildungsinhalte in der Sekundarstufe II ordnet sich die Mehrheit der Mädchen „typisch weiblichen" Schulformen im kaufmännischen, wirtschafts- und sozialberuflichen Bereich zu, während sich Burschen hauptsächlich auf technisch-handwerkliche Ausbildungen konzentrieren. Diese Segregation ist in der dualen Ausbildung der Lehre besonders stark gegeben, zeigt sich aber auch in den mittleren und höheren berufsbildenden Schulen bis hin zur Studienwahl. Hier gibt es nur sehr leichte Auflösungstendenzen in den „typisch weiblichen“ Bereichen: In den technisch-gewerblichen Schulen ist der Anteil der Mädchen gleichgeblieben, die Konzentration der Mädchen in den „mädchentypischen“ Lehrberufen ist jedoch tendenziell gesunken, während die Konzentration der Burschen in den „männertypischen“ Lehrberufen relativ stetig geblieben ist. Dies wird noch deutlicher im Zusammenhang mit IKT-Berufen, die hier als zukunftsträchtige Berufe im Sinne von hohen Beschäftigungs- und Einkommenschancen interpretiert werden. Seit 2016 zeigt sich ein Anstieg des Mädchen- und Frauenanteils in der Lehre, wie auch im Schul- und Hochschulbereich. Dennoch sind Frauen in diesem Bereich durchschnittlich weiterhin wenig vertreten. Hier gilt es eine verstärkte Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wieweit die doch mühsam erreichte Partizipationsquote von Mädchen im technischen Bereich durch traditionelle Bildungswahlentscheidungen rückgängig gemacht wird. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass höhere Bildung zur Auflösung oder Minderung der fachlichen Segregation beitragen kann.
Die Segregation der Schüler*innen spiegelt sich in der Segregation der Lehrkräfte wider, allerdings mit sinkendem Frauenanteil in den oberen Bildungsstufen und in Leitungspositionen.
Auch wenn die Lehrer*innenschaft weiblich dominiert ist, sind Frauen in den höheren Bildungsstufen und vor allem unter Leitungspersonen unterrepräsentiert. Dies bedeutet, dass Frauen in den Leitungspositionen weiterhin fehlen, während Männer in den unteren Bildungsstufen als Lehrkräfte weniger stark repräsentiert sind. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf Entscheidungen im Bildungssystem, sondern auch auf die Sozialisation unserer Kinder. Im Bildungssystem wird Kindern die geschlechtsspezifische vertikale Segregation, die das gesamte Beschäftigungssystem charakterisiert, von früh an vermittelt.
In fast allen Schulformen und Ebenen des Bildungssystems liegt der Frauenanteil unter Lehrkräften über jenem von Leitungspersonen. Ausnahmen sind dabei die technisch-gewerblichen Schulen, in welchen die weiblichen Leitungspersonen mit 38% leicht über dem Anteil der Lehrkräfte mit 35% liegen. In den kaufmännischen Schulen entspricht der Frauenanteil der Lehrkräfte jenem der Leitungspersonen. Im Bereich der Kindergartenpädagogik liegt der Frauenanteil unter den Leitungspersonen leicht über jenem der Lehrkräfte. Dennoch sind Frauen in den Entscheidungspositionen sowohl in Relation zu ihrem Anteil unter Schüler*innen wie auch unter Lehrkräften unterrepräsentiert. Während der Frauenanteil unter den Leitungsfunktionen in den allgemeinbildenden höheren Schulen und bei den kaufmännischen Schulen leicht, sowie bei den kindergartenpädagogischen Schulen stark gestiegen ist, ist er in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen und in wirtschaftsberuflichen Schulen gesunken. Der Anteil der Frauen unter Direktor*innen ist damit in den vergangenen Jahren je nach Schulform zum Teil gesunken, zum Teil gestiegen.
Kaum Veränderung im Geschlechterverhältnis der Weiterbildung, aber Rückgang bei berufsbezogener Weiterbildung
Frauen sind in Weiterbildungskursen stärker vertreten als Männer, wobei sich dieser Unterschied durch den häufigeren Besuch von freizeitbezogenen Kursen durch Frauen ergibt. Im Bereich der berufsbezogenen Kurse zeigt sich kein Unterschied zwischen Frauen und Männern. Der Frauenanteil bei Fördermöglichkeiten für berufsbezogene Weiterbildung liegt sowohl beim waff, bei der AK Wien als auch bei der Inanspruchnahme von Weiterbildungskarenzen über 60%. Dies ist ein Indiz für die verstärkte Förderung von Frauen bei Weiterbildungen. Gegenüber den Ergebnissen im Gleichstellungsmonitor 2016 wurden Frauen und Männern in der berufsbezogenen Weiterbildung insgesamt weniger gefördert, der generell etwas höhere Frauenanteil ist jedoch fast konstant geblieben. Ähnlich erweist sich das Geschlechterverhältnis bei den Teilnahmen an den im Rahmen der Initiative Erwachsenenbildung durchgeführten Angeboten der Basisbildung.
Der Anteil von Frauen mit maximal Pflichtschulabschluss ist gesunken, was auf das allgemein steigende Bildungsniveau zurückzuführen ist und sich in fast allen Altersgruppen zeigt.
Auch wenn der Anteil von Frauen in der Tertiärbildung höher ist als jener von Männern, liegt der Anteil von Frauen, die maximal einen Pflichtschulabschluss aufweisen, weiterhin über jenem der Männer. Im Vergleich zu den Vorjahren ist deren Zahl jedoch zurückgegangen. Weiterhin weisen 27% der Frauen in Wien keine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung auf (siehe Indikator A3.1). Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen keine Berufsbildung abschließen – sei dies aufgrund individueller Entscheidungen oder da sie vom Bildungswesen nicht erreicht wurden –, weisen ein erhöhtes Arbeitslosenrisiko auf oder verschwinden aufgrund mangelnder Beschäftigungschancen einfach vom Arbeitsmarkt (siehe Kapitel H Armut und Soziale Sicherheit).