Den Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern liegen vielfältige Ursachen zu Grunde. Diese reichen von der unterschiedlichen Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit über die unterschiedliche Präsenz von Frauen und Männern in beruflichen und hierarchischen Positionen bis hin zu ungleicher Bewertung und somit Entlohnung von Frauen- und Männerarbeit und diskriminierungsanfälligen Entlohnungssystemen. In jedem Fall wirken sich Einkommensnachteile nicht nur auf die materielle Absicherung in der Gegenwart und Zukunft aus, sondern bestimmen überdies gesellschaftliche Machtverhältnisse und Hierarchien. Das Einkommen stellt somit eine zentrale Ressource für soziale Partizipation und ein sicheres und selbstbestimmtes Leben dar.
Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern wird üblicherweise in Form von prozentuellen Einkommensnachteilen von Frauen, gemessen an den Einkommen von Männern, dargestellt. Das Ausmaß geschlechtsspezifischer Einkommensunterschiede differiert relativ stark je nach verwendeter Datenquelle, Berechnungsmethode und Einkommensbegriff. Hierbei gibt es unterschiedliche Ansichten insbesondere darüber, ob bzw. wie viel der Einkommensunterschied um beobachtbare, strukturelle Merkmale wie z.B. geleistete Arbeitszeit, Arbeitserfahrung oder Berufswahl bereinigt werden sollte. Dabei ist keine Herangehensweise „richtiger“ als die andere, sie beleuchten unterschiedliche Aspekte der Einkommensdifferenzen und heben unterschiedliche Einkommenschancen von Frauen und Männern hervor. Wenn es darum geht, welcher Umfang an Finanzressourcen Frauen und Männern individuell zur Verfügung steht, sind Einkommen als Ergebnis von Stundenlohn, Arbeitszeit und Umverteilung durch Steuerung und Sozialabgaben relevant. Bruttostundenlöhne können hingegen die Chancen der eigenständigen Existenzsicherung nicht abschätzen, bringen jedoch Befunde zur (un)gleichen Bewertung von (gleicher) Arbeit.
Unabhängig davon, welches Messkonzept und welche Datenquelle verwendet wird, verdienen Frauen nach wie vor weniger als Männer. Bei ausschließlich unselbstständig Erwerbstätigen ist der Geschlechterunterschied der Jahreseinkommen gesamt vor Steuern mit 18% deutlich geringer als bei ausschließlich selbstständig Erwerbstätigen (40%) und ausschließlich Pensionist*innen (28%). Mit der umverteilenden Wirkung von Steuern und Sozialabgaben verringert sich der Geschlechterunterschied von unselbstständig Erwerbstätigen auf 15% nach Steuern. Auf Stundenbasis gerechnet und damit arbeitszeitbereinigt erhalten Frauen um 12% weniger Bruttostundenlohn als Männer (Gender Pay Gap). Betrachtet man Arbeiter*innen und Angestellte getrennt, so ist der Gender Pay Gap in beiden Gruppen höher (Angestellte 21%, Arbeiter*innen 24%). Unter allen überwiegend selbstständig Erwerbstätigen, also auch bei Berücksichtigung von Mehrfachbezieher*innen, verdienen Frauen im Mittel um 23% weniger als selbstständige Männer, wobei hier große branchenspezifische Unterschiede bemerkbar sind.
Unselbstständig erwerbstätige Frauen und Männer mit ausländischer Staatbürger*innenschaft erhalten im Schnitt einen um rund ein Drittel geringeren Bruttostundenlohn als Frauen und Männer mit österreichischer Staatsbürger*innenschaft. Gleichzeitig ist der Gender Pay Gap von Ausländer*innen mit 13% etwas niedriger als bei Österreicher*innen (15%). Die Bruttostundenlöhne steigen erwartungsgemäß mit höherem Bildungsabschluss, längerer Betriebszugehörigkeit und höheren beruflichen Qualifikationen bei Frauen und Männern. Der Anstieg fällt bei Frauen allerdings geringer aus als bei Männern, sodass gleichzeitig auch der Gender Pay Gap steigt. Damit ist der Gender Pay Gap bei Absolvent*innen von berufsbildenden höheren Schulen und Hochschulen (Universität und Fachhochschulen), in Führungspositionen, Handwerksberufen und akademischen Berufen, bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren und im Alter von über 40 Jahren überdurchschnittlich hoch. Das heißt, Frauen können ihre Bildungsabschlüsse und Qualifikation wie auch ihre berufliche Erfahrung weniger gut für höhere Einkommen verwerten. Die höheren Bildungsabschlüsse von Frauen können damit nur begrenzt zum Abbau der Einkommensunterschiede beitragen.
Die Ursachen der Einkommensunterschiede sind eng verknüpft mit der Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern. Wie der Vergleich der Geschlechterunterschiede nach Jahreseinkommen und Bruttostundenlöhnen zeigt, ist das unterschiedliche Arbeitszeitausmaß von Frauen und Männern ein wesentlicher Erklärungsfaktor für den Einkommensunterschied – auch wenn dieser in Wien im Vergleich zu den anderen Bundesländern gering ausfällt. So ist gerade während der Corona-Krise sichtbar geworden, dass die ungleiche Verteilung unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern in erster Linie bei Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwert. Erwerbsunterbrechungen oder Teilzeitarbeit führen in weiterer Folge zu Einkommensnachteilen bzw. -verlusten. Darüber hinaus wirkt sich die traditionelle Arbeitsteilung auch über die Berufs- und Branchensegregation auf die Einkommen aus. Die für Frauen typischen Dienstleistungsberufe wie Verkäufer*innen weisen zwar weniger Geschlechterunterschiede auf, aber sind deutlich schlechter bezahlt als Handwerksberufe und einfache technische und Montageberufe. Gerade in diesen männerdominierten Bereichen steigt der Gender Pay Gap weiter an. Eine Annäherung zeigt sich dagegen bei den Führungskräften, wo der Gender Pay Gap merkbar gesunken ist, und zwar von 28% auf 22%.
Auf die Tatsache, dass „typische Frauenberufe“ schlechter entlohnt werden, weisen zudem die Lehrlingsentschädigungen der am häufigsten gewählten Lehrberufe von Mädchen und Burschen sowie die Entwicklung der Kollektivlöhne in den Vergleichspaaren von frauendominierten und männerdominierten Berufen mit ähnlicher Qualifikation hin. Die Unterschiede zwischen frauendominierten und männerdominierten Berufe sind in den Kollektivverträgen noch stärker ausgeprägt als bei der Lehrlingsentschädigung. Der zeitliche Verlauf lässt diesbezüglich auf ambivalente Entwicklungen schließen und keine eindeutige Annäherung erkennen.
Die Pensionsunterschiede zwischen Frauen und Männern sind deutlich höher als die Aktiveinkommen und liegen bei 26%. Darin werden auch Mehrfachpensionen mit der umverteilenden Wirkung der Witwen- und Witwerpensionen berücksichtigt. Bei den Alterspensionen verringern sich durch die niedrigeren Stundenlöhne und Gehälter, Einkommenseinbußen aufgrund von Arbeitszeitreduktion und Auszeiten für Kinderbetreuung oder Pflege von Familienangehörigen die Ansprüche von Frauen und der Gender Pension Gap liegt bei dieser Gruppe bei 38%. Der Gender Pension Gap ist zwischen 2011 und 2019 merkbar gesunken (von 33% auf 26%), vor allem im Bereich der Alterspensionen. Aber auch der Anteil der im Schnitt höheren eigenständigen Erwerbspensionen (Alterspension und Ruhegenuss) ist bei Frauen in diesem Zeitraum stärker gestiegen als bei den Männern und hat damit zur positiven Entwicklung beigetragen.
Gemessen am Haushaltseinkommen weisen Mehr-Personen-Haushalte mit Pension und ohne Kinder die höchsten Einkommen aus, Haushalte mit mindestens drei Kindern und Ein-Eltern-Haushalte hingegen die niedrigsten. Alleinlebende Personen weisen insgesamt tendenziell niedrigere Einkommen auf mit relativ geringen geschlechtsspezifischen Unterschieden. Der Anstieg der Einkommen fällt bei alleinlebenden Frauen im Zeitverlauf jedoch höher aus als bei alleinlebenden Männern. Überdurchschnittlich hoch ist der Anstieg der Haushaltseinkommen bei Mehrpersonenhaushalten mit Kindern (insb. mit einem Kind). Problematisch ist die Tatsache, dass das vergleichsweise niedrige Einkommensniveau von Ein-Eltern-Haushalten zwischen 2012 und 2015 zunächst (nominell) nahezu konstant geblieben und zwischen 2015 und 2019 um 4% gesunken ist. Die im überwiegenden Ausmaß weiblichen Alleinerzieher*innen sind somit verstärkt von Armut betroffen.
Die niedrigeren Einkommen von Frauen wirken sich nicht nur auf ihren Lebensstandard und damit auf die finanziellen Zugangschancen für unterschiedliche Bereiche wie Bildung, Gesundheit oder Wohnen aus. Sie bestimmen indirekt auch die innerfamiliäre Arbeitsteilung, die Entlastung durch zugekaufte Betreuungsleistungen sowie die Machtverhältnisse in Partner*innenschaften mit. Dementsprechend ist die Forderung nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit ganz wesentlich für die Lebenschancen sowie ein selbstbestimmtes Leben.
Die empirischen Befunde zum Gender Pay Gap zeigen für Wien ein relativ positives Bild – relativ in der Entwicklung der letzten Jahre und im Vergleich zu Restösterreich. In den letzten zwei Jahrzehnten sind die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede in Wien (und Österreich) stetig gesunken, die Einkommen der Frauen und Männer haben sich also sukzessive angenähert. Wien ist das Bundesland mit den niedrigsten Einkommensunterschieden zwischen den Geschlechtern, wobei die Unterschiede im Westen tendenziell höher ausfallen als im Osten Österreichs. Neben der vergleichsweise gut ausgebauten Bildungs-, Pflege- und Kinderbetreuungsinfrastruktur spielen dabei auch strukturelle Faktoren wie der große Anteil an Berufen mit hohem Qualifikationsniveau und im öffentlichen Bereich eine Rolle. So weisen Frauen in Wien aufgrund des hohen Anteils an Universitäts- und Fachhochschulabsolventinnen ein hohes Einkommensniveau auf (siehe Indikator A3.1 Bildungsstruktur der Wiener Wohnbevölkerung).
Allerdings existiert auch innerhalb Wiens eine starke Spreizung der Einkommensunterschiede, wobei Bezirke mit höherem Durchschnittseinkommen auch einen höheren geschlechtsspezifischen Einkommensunterschied aufweisen. Der Grund für diese großen Differenzen liegt jedoch weniger in den Einkommen der Frauen als bei jenen der Männer. Während in den einkommensstarken Bezirken vergleichsweise mehr männliche Höchstverdiener an der Spitze der Einkommensverteilung zu finden sind, verdienen Männer in Bezirken mit niedrigerem Einkommensniveau stärker unter dem Durchschnitt als Frauen. Beides führt im Ergebnis zu der deutlichen Spreizung des geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiedes in Wien.
Auch wenn der Gender Pay Gap in den letzten Jahren einem kontinuierlichen Abwärtstrend unterzogen war, ist das kein Automatismus. Gleiches Einkommen und gleicher Lohn für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit sind auch in Wien noch nicht in absehbarer Zeit erreicht. Eine Besserstellung von Frauen beim Einkommen wird nur mit einer Aufwertung so genannter klassischer „Frauenberufe“ wie etwa der Pflege und einer Auflösung der beruflichen Segregation sowie der ungleichen Verteilung von unbezahlter Arbeit erreicht werden können.