Armut und soziale Sicherheit sind normative Konzepte, die durch unterschiedliche Vorstellungen des finanziellen Mindestbedarfs für eine menschenwürdige Existenz und der einzubeziehenden Einkommens- und Vermögenswerte sowie gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten geprägt sind. Aufgrund der Abhängigkeit des Lebensstandards von (finanziellen) Verpflichtungen für Kinder oder andere Haushaltsmitglieder sowie der finanziellen Unterstützung durch Familienangehörige, können Armut und soziale Sicherheit nur unter Berücksichtigung von Haushaltskonstellationen analysiert werden. Dementsprechend nimmt dieses Kapitel eine Sonderstellung ein, da hier überwiegend Indikatoren dargestellt werden, die sich auf den Haushalt beziehen und Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Kontext der Haushalts- oder Familienkonstellationen betrachtet werden. Das Haushaltskonzept wird nach Möglichkeit durch Indikatoren ergänzt, um die eigenständigen Existenzsicherungsmöglichkeiten von Frauen zu thematisieren. Jedoch können Machtbeziehungen innerhalb der Haushalte in den Daten nicht abgebildet werden.
Armutsausmaß und die Armutsbetroffenheit spezifischer Gruppen werden von einer Vielzahl sozioökonomischer Faktoren beeinflusst, die die Einkommensmöglichkeiten bestimmen und die häufig selbst schon durch geschlechtsspezifische Unterschiede und Benachteiligungen gekennzeichnet sind – wie auch in anderen Kapiteln des Gleichstellungsmonitors beschrieben. Hierrunter fallen z.B. die Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt, die Arbeitsmarktsituation, direkte und indirekte Diskriminierung, Bildung, Alter, Gesundheit (vgl. etwa Knittler 2015, Mogge-Grotjahn 2020). Die Benachteiligungen können durch die Verschränkung von Faktoren noch verstärkt werden: so ist etwa die Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Behinderungen deutlich niedriger als bei Frauen ohne solche Einschränkungen, aber auch deutlich niedriger als jene von Männern mit Behinderungen. Frauen mit Behinderungen sind daher „in Österreich in hohem Maße von Armut und Ausgrenzung gefährdet“ (Sorger/Bergmann 2021). Armutsausmaß und die Armutsbetroffenheit sind aber auch von Ausgabenverpflichtungen (z.B. Unterhaltszahlungen, Wohnkosten) und nicht zuletzt von der Ausgestaltung sozialer Sicherungssysteme abhängig. Sozialleistungen sollen oft fehlende oder geringe Einkommen ausgleichen, doch ist der Zugang häufig eng an Erwerbsarbeit orientiert, indem Anspruchsberechtigungen und Leistungshöhe von vorangegangener Erwerbsarbeit und dem dabei erzielten Einkommen bestimmt werden. Frauen sind damit nicht nur verstärkt von Armut gefährdet, wenn sie arbeitslos oder erwerbsunfähig sind, sondern auch als Alleinerzieherinnen, nach einer Trennung oder – als kumuliertes Risiko typischer Frauenbiografien – durch geringe Pensionen im Alter (vgl. Pimminger 2012, Mayrhuber 2020 bzw. Mairhuber/Mayrhuber 2020).
Ausmaß der Frauenarmut in bestehenden Armutskonzepten schwer erfassbar
Obwohl alle Arbeitsmarktindikatoren zeigen, dass Frauen niedrigere Einkommen aufweisen als Männer, sind Frauen und Männer in Wien 2019 mit jeweils 21% gleich stark von Armutsgefährdung betroffen, d.h., sie leben in Haushalten mit einem Einkommen, das maximal 60% des Medianeinkommens erreicht. Wie schon oben angemerkt muss hier das Haushaltskonzept kritisch hinterfragt werden, da es keinen genaueren Blick auf die geschlechtsspezifische Betroffenheit von Armut zulässt. So weist etwa Siegert in einer Analyse zur „Erwerbsarmut in Österreich aus Geschlechterperspektive“ (2021) darauf hin, dass der entsprechende Eurostat-Indikator „oftmals keine Zusammenhänge zwischen Erwerbsarmutsgefährdung und Geschlecht“ zeigt, „was seit jeher als dessen analytischer Mangel diskutiert wird“ (Siegert 2021: 512). Siegert baut auf den Arbeiten von Knittler und Heuberger (2018) auf, die „einen neuen Indikator zur Erfassung des Zusammenhangs zwischen Armut und Erwerbstätigkeit“ vorstellen. Sie gehen ebenfalls von einer Kritik an den auf den äquivalisierten Haushaltseinkommen beruhen EU-SILC-Daten aus, die „nur eingeschränkt sinnvolle Analysen nach Individualmerkmalen wie dem Geschlecht“ erlauben (ebd.: 226). Knittler und Heuberger können zeigen, dass das Risiko, trotz Erwerbsarbeit arm zu sein, für Frauen und Männer (in Österreich 2015) nach Eurostat-Definition annähernd gleich hoch ausfällt, basierend auf der individuellen Armutsgefährdung die Armutsgefährdungsquote erwerbstätiger Frauen jedoch mit 19% mehr als doppelt so hoch liegt wie jene der Männer (8%) (ebd. 240). Siegert kommt 2021 zu dem Ergebnis, dass zwar kein allgemeiner Geschlechterunterschied betreffend des Erwerbarmutsrisikos besteht, aber sie kann aufzeigen, dass Mütter einem erhöhten Erwerbsarmutsrisiko ausgesetzt sind. Auch dies verschleiern Haushaltskonzepte in der Armutsbetrachtung. Siegert fasst in ihren Schlussfolgerungen zusammen: „Letztendlich zeigt die Analyse, dass der Diskurs über feminisierte Armut nicht ausschließlich auf Basis haushaltsbasierter Daten geführt werden kann“ (Siegert 2021: 530).
Es gilt also das Haushaltskonzept weiterhin kritisch zu hinterfragen und unterschiedliche, geschlechtsspezifische Gründe und Risikofaktoren für Armut im Lebenslauf von Frauen und Männern herauszuarbeiten. So zeigt sich etwa immer wieder eine besondere Armutsbetroffenheit bzw. ein besonders hoher Leistungsbezug von Ein-Eltern-Haushalten, die zu 85% Frauen (siehe Indikator A7.1) betreffen. Auch ist der Frauenanteil in der Wiener Mindestsicherung in der Altersgruppe 66+ mit 64% besonders hoch und liegt auch im Haupterwerbs- und Hauptkinderbetreuungsalter (26 bis 45 Jahren) bei 54%. Betreffend des Haushaltsprinzips, mit dem Armut gemessen wird, spiegeln sich in den geschlechtsspezifischen Werten jedoch die Haushaltskonstellationen stärker wider als die individuell verfügbaren Einkommensmöglichkeiten.
Während Frauen und Männer in Haushalten in Wien im Jahr 2019 zu gleichen Anteilen armutsgefährdet (21%) und von finanzieller Deprivation (19%) betroffen sind, überwiegt bei der geringen Erwerbsintensität der Anteil der Männer leicht (Frauen: 11%, Männer: 13%). Insgesamt ist der Anteil von Frauen, die von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung betroffen sind – dieser Indikator umfasst die drei zuvor genannten Armutsdefinitionen – mit 29% geringfügig höher als bei Männern (28%). Gegenüber 2011/12 hat sich die Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 2019 für beide Geschlechter erhöht: für Frauen von 26% auf 29% etwas weniger stark als für Männer mit einem Anstieg von 22% auf 28%. Während bei Frauen einkommensbezogene Armut ziemlich stabil bleibt, ist die ausgabenbezogene Armut – d.h. dass nötige Ausgaben nicht getätigt werden können – gestiegen. Bei Männern haben sich alle drei Komponenten verstärkt, daher ist auch die aggregierte Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung stärker gestiegen.
Mit Blick auf die drei Betrachtungszeiträume des Gleichstellungsmonitors machte sich im Vergleich der ersten beiden Monitore (2013 und 2016) im Jahr 2015 die damals vergleichbar schlechte Arbeitsmarktlage bemerkbar, die sich stärker auf die Erwerbs- und Einkommenschancen von Männern als von Frauen auswirkte und auch die unterschiedliche Entwicklung in der Betroffenheit von Armut teilweise erklärt hat. Zwischen 2017 und 2019 hat sich die Arbeitslosigkeit in Wien durch die gute Konjunkturlage reduziert, die Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung ist dennoch zwischen 2015 und 2019 für beide Geschlechter gestiegen. Die Auswirkungen der Covid-19-Krise sind in den aktuellen Daten für 2019 noch nicht abgebildet.
Familienkonstellation bestimmt weiterhin stark die Armutsgefährdung
Besonders auffällig ist die Armutsbetroffenheit unterschiedlicher Haushalts- bzw. Familienkonstellationen: 2019 sind 39% der Ein-Eltern-Haushalte und 40% der Haushalte mit drei Kindern armutsgefährdet. Familien mit einem oder zwei Kindern und Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder weisen dagegen eine unterdurchschnittliche Armutsgefährdung auf. Zudem fällt auf, dass 27% der Personen in Haushalten mit einer Hauptverdienerin, aber nur 17% der Personen in Haushalten mit einem Hauptverdiener 2019 armutsgefährdet sind. Die geschlechtsspezifische besondere Betroffenheit von Haushalten mit einer Frau als Hauptverdienerin bleibt ebenso wie die auffällig hohe Armutsgefährdung von Ein-Eltern-Haushalten über die Jahre bestehend (Ein-Eltern-Haushalte: 2011/12: 44%, 2015: 34%, 2019: 39%). In 40% der Wiener Haushalte erbringt eine Frau den größten oder alleinigen Anteil zum Haushaltseinkommen. 31% davon sind alleinlebende Frauen, rund 30% leben in kinderlosen Haushalten mit ihrem Partner/ihrer Partnerin und rund 5% sind Alleinerzieherinnen.
Die Anteile der armutsgefährdeten allein lebenden Frauen und Männer sind über die Jahre recht konstant, jedoch gibt es geringfügige Unterschiede in der Frage, welches Geschlecht stärker betroffen ist: 2011/12: jeweils 26%, 2015: Frauen 27%, Männer 25%, 2019: Frauen 25%, Männer 26%. Das bedeutet, dass mehr als ein Viertel aller alleinlebenden Frauen und Männer mit einem Nettoeinkommen von maximal 1.286 Euro netto auskommen muss.
Demnach ist das Armutsrisiko weiterhin eng verbunden mit der Familienkonstellation. Ehe oder Partner*innenschaft können das Defizit bei existenzsichernden Fraueneinkommen ausgleichen oder durch Abhängigkeit verschleiern. Die weiterhin hohe Armutsbetroffenheit von Alleinerzieherinnen verdeutlicht jedoch, dass eine Trennung vielfach mit Armut für Expartner*innen einhergeht, wovon Frauen durch geringere Einkommen und den häufigen Verbleib der Kinder im Haushalt der Mütter potenziell mehr betroffen sind.
Armutsbetroffene Frauen schränken ihre kulturellen Aktivitäten stärker ein als Männer und beteiligen sich seltener an politischen Prozessen
Ohne finanzielle Deprivation sind Frauen 2018 kulturell aktiver als Männer, mit finanzieller Deprivation werden ihre kulturellen Aktivitäten jedoch deutlich eingeschränkt: 50% der Frauen ohne finanzielle Deprivation besuchen häufig kulturelle Veranstaltung, mit finanzieller Deprivation tun dies nur noch 23% der Frauen. Bei Männern mit und ohne finanzieller Deprivation fällt dieser Unterschied deutlich geringer aus: 43% zu 40%. Während 2013 armutsbetroffene Männer ihre kulturellen Aktivitäten stärker eingeschränkt haben als armutsbetroffene Frauen, verhält sich dies 2018 umgekehrt.
Insgesamt weisen Männer ein höheres politisches Engagement auf als Frauen – wobei hier ist auf die unterschiedliche Verteilung unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern und dadurch unterschiedliche vorhandene Zeitressourcen hinzuweisen ist. Armutsbetroffene Frauen beteiligen sich bei Gemeinschaftsaktivitäten und Beteiligungsangeboten der Stadt Wien am wenigsten von allen Gruppen (Frauen und Männer mit und ohne finanzielle Deprivation). Bei der Mitarbeit in gemeinnützigen Vereinen/NGOs und in politischen Parteien beteiligen sich armutsbetroffene Frauen und Männer in etwa gleich häufig. Damit sind armutsbetroffene Frauen in den hier ausgewählten politischen Prozessen insgesamt weniger stark repräsentiert. Nur bei der Mitarbeit in politischen Parteien fällt die Beteiligung von Frauen mit finanzieller Deprivation mit 10% etwas höher aus als bei Frauen ohne finanzielle Deprivation (9%).
Der Bezug existenzsichernder Sozialleistungen zeigt über die Jahre wenig Veränderungen
Die Wiener Mindestsicherung, Ausgleichszulagen zu Pensionen und die Wohnbeihilfe stellen soziale Leistungen dar, die Armut mindern und eine Existenzsicherung bei keinen oder zu geringen anderen Einkommen bieten sollen. Zudem können sie auch als Indikatoren für Armutsbetroffenheit interpretiert werden. Vergleicht man die jeweiligen Bezugsquoten nach Haushaltskonstellationen, so zeigen sich unterschiedliche Schwerpunkte: Die Bezugsquote der Wiener Mindestsicherung liegt bei alleinunterstützten Männern mit 14% höher als bei alleinunterstützten Frauen (10%), jedoch weisen Ein-Eltern-Haushalte mit 14% ebenfalls die höchsten Bezugsquoten auf. Alleinerziehende in der WMS sind 2020 zu 95% Frauen, Analysen zeigen, dass die durch Covid-19 bedingten Probleme (Betreuungsausfälle, Home-Schooling etc.) für sie besonders groß waren. Der in dieser Gruppe verzeichnete Anstieg der Leistungshöhen in der WMS ist zum einen mit diesen Einschränkungen einer Erwerbsarbeit nachzugehen zu erklären, zum anderen durch sinkende Alimentationszahlungen. Alleinerziehende sind auch länger im Bezug der WMS als im Jahr davor (Stadt Wien, MA 40, 2021a: 20). Mit 11% bei Pensionistinnen und 12% bei Pensionisten werden Ausgleichszulagen anteilsmäßig insgesamt häufiger an Männer ausbezahlt, in den einzelnen hier dargestellten Pensionsarten ist die Quote der Frauen jedoch höher. Die Bezugsquoten von Wohnbeihilfe sind für Frauen insgesamt (6%) höher als für Männer (3%). Alleinlebende Frauen (6%) beziehen die Leistung anteilsmäßig in ähnlicher Höhe wie allein lebende Männer (5%) und Mehrpersonenhaushalte mit Kindern (4%). Die Bezugsquote von Ein-Eltern-Haushalten liegt mit 12% deutlich darüber.
Im Jahr 2018 gab es eine Veränderung in der Berechnung/Auswertungslogik der WMS. Daher sind die Daten von 2020 mit den Daten vorheriger, publizierter Gleichstellungsmonitore nicht direkt vergleichbar [Anm. 9] und werden hier nicht dargestellt. Die Bezugsquoten von Ausgleichszulagen und Wohnbeilhilfe sind im Vergleich zu 2012 und 2015 bei Frauen konstant geblieben. 2020 sind die Bezugsquoten von Frauen bei der Ausgleichszulage (11%) und der Wohnbeihilfe (6%) gegenüber 2015 leicht gestiegen (Ausgleichszulage 2015: 9%, Wohnbeihilfe 2015: 4%). Der Anteil von Männern mit Bezug der Wohnbeihilfe liegt 2013, 2015 und 2020 konstant bei 3%, bei der Ausgleichszulage ist er leicht gestiegen: 2012: 11%, 2020: 12%.
Arbeitslosengeld und Notstandshilfe: geschlechtsspezifische Anteile der Leistungsbezieher*innen nähern sich über die Jahre an; Covid-19-Krise wird am Arbeitsmarkt sichtbar
In der Arbeitsmarktpolitik ist Gleichstellung von Frauen und Männern seit Langem ein fest verankertes Thema, strukturellen Benachteiligungen kann aktiv entgegengewirkt werden. Grundsätzlich orientieren sich die Leistungsansprüche bei Erwerbsarbeitslosigkeit an den vorangegangenen Erwerbszeiten – dadurch werden Frauen durch mangelnde Anspruchsberechtigungen aufgrund von Berufsunterbrechungen, Teilzeitarbeit und niedrigeren Einkommen benachteiligt. Der geringere Frauenanteil bei erwerbsarbeitslosen Personen (2020: 43%) ergibt sich auch durch versteckte Arbeitslosigkeit: Frauen melden sich mangels Anspruchsberechtigung gar nicht erst beim AMS. Bei den Bezieher*innen von Arbeitslosengeld liegt der Frauenanteil bei 41%, bei der Notstandshilfe entspricht der Frauenanteil der Bezieher*innen dem Anteil von Frauen an allen Arbeitslosen.
Zwischen 2012 und 2015 ist der Anteil der Erwerbsarbeitslosen, die im Jahresdurchschnitt Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen, bei Frauen von 76% auf 82% und damit stärker gestiegen als bei Männern (83% auf 87%). 2020 sind die Anteile für beide Geschlechter wieder leicht gesunken; bei Frauen auf 81%, bei Männer auf 85%. Die geschlechtsspezifischen Anteile der Leistungsbezieher*innen haben sich über die Jahre angenähert. Auffällig ist diese Entwicklung bei der Notstandshilfe, hier sind die Bezieherinnen 2020 gegenüber 2015 um 26% gestiegen, die Bezieher dagegen nur um 4%. Zeitgleich ist der Frauenanteil bei Ablehnungen der Notstandshilfe von 66% und auf 44% gesunken. Diese Entwicklung wird unter anderem an den Neuregelungen beim Bezug der Notstandshilfe liegen: mit 1.7.2018 wurde die Anrechnung der Partner*inneneinkommenn aufgehoben und damit eine jahrelange Forderung der Gleichstellungspolitik umgesetzt.
Im Jahr 2020 müssen auch die Entwicklungen am Arbeitsmarkt mitberücksichtigt werden. Während die Erwerbsarbeitslosigkeit in Wien durch die gute Konjunkturlage zwischen 2017 und 2019 gesunken ist, stieg sie mit Beginn der Covid-19-Krise stark an (Mayerhofer 2021). Die Bezieher*innen von Arbeitslosengeld sind zwischen 2015 und 2020 sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern um 28% gestiegen. Die Covid-19-Krise zeigt sich auch beim Förderbudget der aktiven Arbeitsmarktpolitik, das 2020 gegenüber 2015 dramatisch angestiegen ist, da es auch die Kurzarbeitsförderungen umfasst. Der Jahresvergleich ist also wenig aussagekräftig. Der Frauenanteil am Förderbudget ist von 2012 auf 2015 leicht gestiegen und 2020 mit 46% – trotz Kurzarbeitsförderungen – genauso hoch wie 2015.
Tendenzielle Gleichstellungsrückschritte beim Bezug des Kinderbetreuungsgelds
Wenig erfolgreich in Hinblick auf Gleichstellungsziele erweist sich die Entwicklung der Bezieher*innen des Kinderbetreuungsgeldes: Der geringe Männeranteil verändert sich nicht und liegt über die betrachteten Jahre insgesamt konstant bei 8%. Der Anteil von Vätern, die für zumindest zwei Monate ein Kinderbetreuungsgeld bezogen haben, ist bei den abgeschlossenen Kinderbetreuungsgeldfällen des Kalenderjahres 2017 (Daten von 2020) sogar gesunken (27% gegenüber 30% im Jahr 2016). Der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes liegt in weiten Teilen bei den Müttern, was durch die Erwerbsunterbrechungen häufig mit negativen Folgen für sie auf Karriere und Einkommen einhergeht. Zwischen 2013, 2016 und 2017 haben sich die Anteile der Inanspruchnahme der Kinderbetreuungsgeld-Varianten in verschiedene Richtungen verschoben, ein eindeutiger Trend ist nicht erkennbar. Nachdem das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld von 2013 zu 2016 an Bedeutung gewonnen hat (Anstieg von 21% auf 26%), ist der Anteil 2017 sogar wieder unter den Wert von 2013 gesunken und liegt nur mehr bei 17%. Die langen Pauschalvarianten haben wieder mehr an Bedeutung gewonnen.
Anteil der Pflegegeldbezieher*innen nimmt bei den Männern zu – Frauen sind aber weiterhin stärker Nutzerinnen
Mit dem Pflegegeld, einer universellen Sozialleistung bei Pflegebedarf, werden sowohl die Unterstützungsleistung für Betreuungspersonen oder Betreuungseinrichtungen als auch die anspruchsberechtigte Zielgruppe dargestellt. Die Zahl der Pflegegeldbezieher*innen ist zwischen 2012 und 2014 um 2% gestiegen und hat sich zwischen 2014 und 2020 um weitere 2% erhöht. Die Quote der Pflegegeldbezieher*innen an der Wiener Wohnbevölkerung ist bei Frauen mit 6% über die drei betrachteten Jahre konstant, die Quote der Männer ist hingegen leicht von 3% in den Jahren 2012 und 2014 auf 4% im Jahr 2020 gestiegen. Der Frauenanteil bei den Pflegegeldbezieher*innen liegt jedoch immer noch bei 62%, wodurch sich Frauen stärker mit den Herausforderungen einer finanzierbaren und qualitativ zufriedenstellenden Pflege konfrontiert sehen.