Gleichstellungsziele
Sichtbarmachung und Senkung von Gewalt durch (Ex-)Partner*innen
2020 kamen 4.145 Klient*innen erstmals zur Wiener Interventionsstelle: 3.260 über die Vermittlung der Polizei und weitere 885 über andere Klient*innen (234) oder andere Einrichtungen (651). 83% von ihnen waren Frauen, von denen 49% vom aktuellen und 26% von einem früheren Partner gefährdet wurden. Da die Interventionsstelle Klient*innen über einen längeren Zeitraum hinweg betreut, betrug deren Gesamtzahl, inklusive der Klient*innen aus früheren Jahren, die 2020 wieder Hilfe suchten, 6.199.
2020 viktimisierten männliche Täter bei 4.862 Übergriffen weibliche Opfer, d.h., wie in den Erhebungsjahren zuvor waren 95% aller Täter*innen Männer. 5% der von der Interventionsstelle Wien betreuten weiblichen Opfer wurden von einer Frau gefährdet, und zwar in erster Linie von der Mutter/Schwiegermutter (1,2%), in geringerem Ausmaß von der Tochter (0,8%), der Lebensgefährtin/Freundin oder der ehemaligen Partnerin (jeweils 0,3%). Sind Männer Opfer von Gewalt in der Familie, dann sind auch die Gefährder überwiegend männlich, ihr Anteil betrug 2020 72%. Gefährderinnen waren vor allem die Partnerin (16%), eine ehemalige Partnerin (5%) oder andere Familienangehörige (5%).
Betrachtet man die Veränderungen im Zeitverlauf seit 2012, ist die Klient*innenzahl der Wiener Interventionsstelle 2020 – nach einer deutlichen Zunahme von 2012 auf 2015 – gegenüber 2015 annähernd gleichgeblieben (83 Klient*innen weniger). Auch der Frauenanteil an den Opfern blieb stabil (2020: 83%, 2015: 85%, 2012: 87%), ebenso der Männeranteil an den Gefährder*innen (2020: 91%, 2015: 92%, 2012: 90%). Allerdings zeigen sich leichte Verschiebungen im Beziehungsverhältnis. Machten Partner*innen 2015 und 2012 58 bzw. 57% dieser Gruppe aus, ging ihr Anteil 2020 auf 52% zurück.
Gegenläufig ist die Entwicklung bei anderen Familienmitgliedern, die 2020 unter den Täter*innen stärker vertreten waren, nämlich mit 14% (2015: 8%, 2012: 9%). Bei den übrigen Gruppen gibt es kaum Veränderungen bzw. fallen diese schwächer aus. Von Ex-Partner*innen ausgeübte Gewalt ist gegenüber 2015 um 1%-Punkt zurückgegangen (27 bzw. 28%), diejenige in sonstigen Beziehungsverhältnissen hat um 1%-Punkt zugenommen, und diejenige durch Fremde ist mit 1% stabil geblieben.
Im Jahr 2020 hat der 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien in 12.806 Beratungen Opfer von Gewalt, Angehörige und Ratsuchende unterstützt. 70% der Kontakte (8.940) erfolgten telefonisch, 24% (3.121) per Mail und 6% (745) der Beratungskontakte waren persönlich oder es wurde zu Rechtsanwältinnen, zur Polizei, zu Gericht oder ins Krankenhaus begleitet (vgl. 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien, Jahresstatistik 2020). Ähnlich wie in der Interventionsstelle, überwiegen unter den Täter*innen (frühere) Partner*innen (67%). Verwandte und Bekannte bzw. Freund*innen finden sich mit 9 bzw. 10% etwa gleich häufig unter den Täter*innen, flüchtige Bekannte machen 6% aus. Schließlich kommen 3% aus dem Arbeits- und Ausbildungsbereich und 1% der Täter*innen sind Personen mit formellem Autoritätsverhältnis. Fremdtäter*innen (4%) sind nur selten Anlass für eine Kontaktaufnahme mit dem 24-Stunden-Frauennotruf.
Eine Kategorisierung der Kontaktgründe nach der Gewaltform einerseits und dem Beratungstyp andererseits führt zu unterschiedlichen Resultaten. Bezogen auf die Auswertung der Erstkontakte und neuen Anlassfälle 2020 gaben bei der telefonischen Beratung insgesamt 45% ihre*n Partner*in als Täter*in an, 17% Ex-Partner*innen. Im Fall von körperlicher Gewalt steigt der Anteil der Partner*innen auf 68%, wogegen er bei psychischer Gewalt nur 45% beträgt. Fremdtäter*innen machen sowohl bei psychischer als auch bei körperlicher Gewalt nur rund 2% aus, bei sexualisierter Gewalt dagegen 14%. In diesem Zusammenhang werden vor allem Bekannte und Freund*innen als Täter*innen genannt (21%), gefolgt von flüchtigen Bekanntschaften (12%).
Im Fall einer persönlichen Beratung (ebenfalls Erstkontakte und neue Anlässe) nannten – wiederum bezogen auf alle Gewaltformen – die Betroffenen am häufigsten Partner*innen (in 83 Fällen), gefolgt von Freund*innen/Bekannten (35) und Ex-Partner*innen (30). Fremdtäter*innen machen 8% der Nennungen aus, dies meist in Zusammenhang mit sexueller Belästigung. In 88% der Fälle besteht ein soziales Naheverhältnis zum/zur Täter*in. Bei 211 erstmals erfassten Kontakten waren 8 Täter*innen weiblich, dies entspricht 4%.
Die Beratungskontakte des 24-Stunden Frauennotrufs der Stadt Wien steigen seit 2012 kontinuierlich an: von 2012 (7.837) auf 2015 (8.775) nur schwach, um 11%, aber massiv von 2015 auf 2020 mit einer Zunahme um 46%. Diese Dynamik ist potentiell Covid-19 geschuldet [Anm. 3]: Die Zahl der durchschnittlichen Beratungen pro Tag nahm von 2019 auf 2020 von 27 auf 35 zu. Das Plus kommt vor allem bei Emailberatungen zum Tragen (60%) und weniger bei telefonischen Kontakten (26%), gleichzeitig gab es einen Rückgang bei persönlichen Begleitungen (minus 24% im Vergleich mit 2019).
Hinsichtlich der Beziehungsverhältnisse ist einzig der zwischen 2015 und 2020 um rund 10%-Punkte angestiegene Anteil von (früheren) Partner*innen auffällig.
Corona-Fokus 2021
Aufgrund der Corona-Pandemie wurden mehrere Lockdowns in unterschiedlichem Ausmaß zur Einschränkung der Kontakthäufigkeiten umgesetzt. Dadurch verbrachten viele Menschen vermehrt Zeit zuhause, doch wie hier dargestellt werden konnte, kann das Zuhause ein gefährlicher Ort für Frauen sein. Im Rahmen der Follow-up Befragung zur psychosozialen Situation der Wiener*innen während der Corona-Pandemie wurden im Frühjahr 2021 rund 1.000 Wiener*innen befragt. Demnach erlebten während der Corona-Pandemie 12% der befragten Frauen häufig oder gelegentlich verbale, 4% körperliche und 3% sexuelle Übergriffe. Von seltenen bis einmaligen Übergriffen berichten zwischen 17 und 6%. Damit berichtete fast ein Drittel der Frauen von Übergriffen zuhause während der Corona-Pandemie.