In der Gleichstellung von Frauen und Männern in Wohnbau und öffentlichen Raum spielen räumliche und finanzielle Ressourcen eine bedeutsame Rolle. Zum einen werden Wohnumfeld und Wohngebäude im Alltag geschlechtsspezifisch unterschiedlich genutzt, dabei spielen Raum und Zeit eine wichtige Rolle in der Vereinbarkeit unterschiedlicher Lebensbereiche. Zum anderen hat die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und care-Arbeit, der gender pay gap, die Niedriglohnbeschäftigung von Frauen und damit der gender pension gap einen unmittelbaren Einfluss auf Leistbarkeit, Möglichkeiten und Qualität des Wohnens. Entscheidend ist auch wer plant, denn Frauen in Entscheidungsprozessen der Gestaltung der gebauten Umwelt betrachten Themen reflektierter, differenzierter und ganzheitlicher (vgl. Amman, Mundt, Lechner & Riss, 2020).
Geringeres Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum und weniger Nutzung von Parks
Die Gestaltung des öffentlichen Raums leistet einen wichtigen Beitrag zu Lebensqualität und Sicherheit. Für den Alltag im Wohnumfeld sind Mobilität und Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten bedeutsam. Das Sicherheitsempfinden der Wiener*innen im öffentlichen Raum sank allerdings zwischen 2013 und 2018 in Bezug auf Belästigungen auf der Straße, Verfolgt-Werden und sexuelle Übergriffe. Frauen haben in Bezug auf sexuelle Übergriffe/Belästigungen mit 74% ein 13%-Punkte geringeres Sicherheitsempfinden als Männer. Mit zunehmendem Alter sinkt die Furcht beider Geschlechter und der geschlechtsspezifische Unterschied verringert sich. Die Gesamtnutzung von Parks durch die Wiener*innen ist zurückgegangen. Im Teenageralter verändert sich die Parknutzung geschlechterspezifisch am meisten, womit sich die Stadt Wien seit Jahrzehnten im Rahmen von gendersensibler Parkgestaltung befasst. Parknutzung ist auch in verschiedenen sozioökonomischen Gebieten Wiens geschlechterspezifisch unterschiedlich ausgeprägt.
In der Ausstattung von Wohngebäuden weniger Grünflächen, Spielplätze, Gemeinschaftsräume und Kinderwagenräume
In der Wohnumgebung und Wohngebäuden tragen gemeinschaftliche Bereiche und Räume sehr zur Alltagsunterstützung von Frauen und Familien mit Kindern bei. Die Ausstattungen von Wohnanlagen und -gebäuden mit Grünflächen und Spielplätzen, Gemeinschaftseinrichtungen und Spielräumen, Kinderwagenräumen, Fahrradräumen und Aufzügen unterscheiden sich allerdings in den Wohnsegmenten und lassen unterschiedliche Entwicklungen erkennen. Seit 2015 hat die Wohnzufriedenheit der Wiener*innen vor allem hinsichtlich der Freiflächen in den Wohnhausanlagen stark abgenommen.
Mehr Haushalte im kostspieligeren privaten Mietsegment und gesunkene Wohnzufriedenheit unter Wiener*innen
Wohnverhältnisse sind abhängig von Familienkonstellationen und vom Haushaltseinkommen. Das Alleinleben betrifft verstärkt Frauen durch die höhere Lebenserwartung (siehe Indikator A1 Altersstruktur und Bevölkerungsentwicklung). Alleinerziehende Haushalte werden zu 90% von Frauen geführt (siehe Indikator A7 Haushalte und Lebensformen).
Drei Viertel der Wiener*innen lebt in Mietwohnungen. Alleinlebende Frauen und Alleinerziehende wohnen häufiger in Mietverhältnissen, verglichen mit Paaren und Familien. Alleinlebende Frauen wohnen häufiger in größeren Wohngebäuden (91%) und in Mietwohnungen (77%) als die Durchschnittsbevölkerung, dabei zu einem Drittel in privater Hauptmiete. Alleinerziehende wohnen ebenso häufig in größeren Wohngebäuden (91%) und zu einem Drittel in Gemeindewohnungen. Alleinlebende Männer wohnen häufiger in Mietwohnungen (80%) aber so wie alleinlebende Frauen und Alleinerziehende weniger häufig in Ausstattungskategorie A Wohnungen als andere Haushalte.
Die allgemeine Wohnzufriedenheit der Wiener*innen, die Zufriedenheit mit der Wohnungsgröße, dem Zustand und der Preiswürdigkeit ist um durchschnittlich 4% gesunken, besonders sank die Zufriedenheit mit Freiflächen in der Wohnhausanlage. Frauen sind etwas zufriedener als Männer, auffällig zufrieden sind alleinlebende Frauen, aber auch alleinlebende Männer.
Weiterhin steigende Wohnkosten, Leistbarkeit besonders für Frauen immer problematischer
Wohnungskosten und Einkommen klaffen immer weiter auseinander, Wohnen wird zunehmend zum größten Kostentreiber für das tägliche Leben. Für Haushalte mit niedrigem Einkommen, die vielfach von älteren, alleinlebenden Frauen und Alleinerzieherinnen geführt werden, wird Leistbarkeit zur größten Herausforderung. Mietkosten stiegen zwischen 2004 und 2020 um 61%, die Nettoeinkommen unselbständig Erwerbstätiger nur um 31%. In allen Haushaltstypen stieg der Wohnkostenanteil. In Haushalten ohne Pensionsbezug beträgt er 23% des Einkommens mit durchschnittlichen Mietkosten von 670€, in Haushalten mit Pensionsbezug 18% mit 570€ monatlicher Miete. Frauen wenden mit 35% einen höheren Anteil ihres Nettoeinkommens für Miete als Männer auf (30%), die höhere Wohnkostenbelastung betrifft besonders alleinlebende Frauen ohne und mit Pensionsbezug. Eine auffällige Erhöhung des Wohnkostenanteils zeigt sich bei pensionierten, alleinlebenden Frauen (3%) sowie Ein-Eltern-Haushalten (7%). Letztere machen ein Viertel aller Wiener Haushalte aus und sind zu 90% von Frauen geführt. Knapp ein Drittel von ihnen wenden 50% ihres Einkommens für Wohnkosten aus. Das Wohnmodell für Alleinerziehende der Stadt Wien bietet seit 2018 erschwingliche Wohnungen in Wohnungsneubauprojekten. Seit 2020 ist alleinerziehend ein begründeter Wohnbedarf und erleichtert den Zugang zum Gemeindebau und Genossenschaftswohnbau.
Zunahme prekärer Wohnformen
Die hohe Nachfrage am Wohnungsmarkt lässt Vermieter*innen am privaten Mietwohnungsmarkt übersteigende Preise, befristete Mietverträge und geringe Ausstattungsqualität verfügen, von denen Mieter*innen abhängig sind (vgl. bsw. Schoibl 2008). Sowohl bei befristeten Mietverträgen wie auch bei Wohnungsüberbelag ist ein erhöhter Anstieg des Anteils seit 2015 zu verzeichnen als davor und Wiener Haushalte sind zu je etwa ein Fünftel davon betroffen. Es zeigt sich ein steigender Frauenanteil bei befristeten Mietverhältnissen sowie ein leicht gefallener bei überbelegten Wohnungen. Noch mehr betroffen von befristeten Mietverhältnissen und Überbelag sind Männer. Vergleichsweise sind Alleinerziehende und Paare mit Kindern weniger von Befristung betroffen, allerdings erhöht sich mit steigender Kinderanzahl auch der Anteil beim Wohnungsüberbelag eindeutig.
Zunahme Frauenanteil in Beratung und Wohnformen der Wiener Wohnungslosenhilfe
13.000 Wiener*innen waren 2019 als obdach- und wohnungslos registriert, davon besonders 18 bis 30 Jährige. Der Frauenanteil beträgt 31%. Ein Fünftel aller alleinerziehenden Frauen geben an, mind. einmal beinahe wohnungslos geworden zu sein. Spezifische Bruchstellen im Leben von Frauen können zur Prekarisierung beitragen. Für Frauen sind Scheidungen ein existenzielles Problem (vgl. Heindl und MA 50 2020). Die Wiener Wohnungslosenhilfe bietet sowohl Beratungsleistungen als auch Angebote für Übergang- und Dauerwohnen. Die angespanntere Situation am Wiener Wohnungsmarkt zeigt sich in der Zunahme der Inanspruchnahme Nutzer*innen. Der Frauenanteil stieg dabei in Beratungs- und Betreuungsangeboten auf 46% und beim Übergang- und Dauerwohnen auf 36%. Diese Differenz kann auf eine höhere versteckte Wohnungslosigkeit von Frauen hinweisen. Insbesondere bei der Inanspruchnahme der Mobilen Wohnbetreuung inkl. Housing First und den Nachtquartieren zeigt sich ein großer Anstieg.
Ausgeglichener Geschlechteranteil in der Ausbildung jedoch nicht in Praxis von Wohn- und Städtebau
Wieweit Gleichstellungsprinzipien in der Wohnbau- und Stadtplanung verfolgt und umgesetzt werden, hängt auch von der Repräsentanz von Frauen in den jeweiligen Planungs- und Entscheidungsprozessen ab. In der Tertiärausbildung des Beschäftigungssektors Wohn- und Städtebau steht dem ausgewogenen Frauenanteil im Bereich Raumplanung (48%), Architektur (55%) und Landschaftsplanung (63%) ein geringerer Frauenanteil im bautechnischen Ausbildungsbereich (29%) gegenüber. In späteren Leitungs- und Entscheidungspositionen sind Frauen allerdings unterrepräsentiert. In der Wohnungswirtschaft sind in Wien zwar 47% der Beschäftigten Frauen, allerdings in den ersten beiden Führungsebenen nur 5% (vgl. Amman, Mundt, Lechner & Riss 2020). In der Planungsprofession und bei selbständig tätigen Planer*innen und den beruflichen Interessensvertretungen beträgt der Frauenanteil in Führungspositionen etwas mehr als 10%. Auch der Bausektor ist mit 13% Frauenanteil ähnlich männlich dominiert (ÖNACE-Abschnitt F Bau).
Auch die Repräsentanz von Frauen in Entscheidungsgremien im Planungs- und Wohnbaubereich ist gering: Von 2015 bis 2021 waren lediglich rund ein Viertel Frauen in Jurys von Wettbewerbsverfahren und in Lenkungsgruppen von kooperativen Verfahren der Stadt Wien zur Stadtentwicklung vertreten.
Zur Geschlechtergleichstellung ist auch die verstärkte Sichtbarmachung von Frauen im öffentlichen Raum wichtig. Dazu zählt die Benennung von Stadträumen und Verkehrsflächen nach Frauen. 2019 trugen nur 10% aller nach Personen benannten öffentlichen Flächen in Wien den Namen von Frauen. Die seit 2012 zwar zunehmende Benennung nach Frauen betrifft meist nur kurze, wenig prominente oder frequentierte Straßen.
Schlussfolgerungen zu den Gleichstellungszielen von Wohnbau und öffentlicher Raum
Für Frauen zeigen sich Verschlechterungen in vielen Bereichen von Wohnen und öffentlichem Raum, die sich auf ihre Mobilität, Alltagserleichterungen und Wohnverhältnisse auswirken. Der öffentliche Raum wird als weniger sicher empfunden, allerdings sinkt mit dem Alter die Furcht. Die Nutzung von Parks ist insgesamt zurückgegangen, hat sich allerdings bei Frauen im zweiten Lebensviertel und Familien mit Kindern erhöht. Von ungleich verteilter, geringer oder rückgängiger Ausstattung mit Gemeinschaftsbereichen und unterstützenden Räumen in verschiedenen Wohnformen sind eher Erwachsene mit Kindern betroffen. Alleinlebende Frauen und Alleinerzieherinnen wohnen häufiger in Mietverhältnissen, dabei zu einem Drittel in privater Hauptmiete und in Gemeindewohnungen, insgesamt in größeren Wohngebäuden und weniger häufig in Ausstattungskategorie A Wohnungen. Aufgrund stärker steigender Wohnkosten als Einkommen wird vor allem die Leistbarkeit für Haushalte mit niedrigem Einkommen problematischer, wovon besonders alleinlebende und -erziehende Frauen betroffen sind. Bruchstellen in Leben von Frauen können unter diesen Rahmenbedingungen schnell zu Prekariat führen. Der Frauenanteil unter Obdach- und Wohnungslosen ist 31% und ein steigender Frauenanteil bei Beratung, Betreuung und Wohnformen der Wiener Wohnungslosenhilfe spiegelt die angespanntere Situation. Im Wohn- und Städtebau sind Frauen zwar in der Ausbildung etwas ausgewogen vertreten, jedoch in späteren Leitungs- und Entscheidungspositionen immer noch weit unterrepräsentiert.
Insgesamt ist die hohe Verbreitung von Armut und die Wohnungslosigkeit unter Frauen ein demografisches Problem und erfordert mehr frauenspezifische Wohnbauforschung, mehr frauenspezifische Wohnangebote und ein Überdenken der Vergabekriterien im sozialen Wohnbau, beispielsweise hinsichtlich weiblicher Altersarmut. Es bedarf dafür eine Ausweitung der Schnittmengen von Frauenpolitik und Wohnungspolitik. Die Bündelung der Frauen- und Wohnbauagenden einer Hand – politisch repräsentiert durch die Wiener Wohnbau- und Frauenstadträtin Kathrin Gaal – stellt hier ein großes Potential dar.