Kapitel J

Umwelt und Mobilität

Titelbild Kapitel

Kapitel J

Umwelt und Mobilität

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Resümee

Aufgrund von unterschiedlichen Lebens- und Alltagssituationen und ökonomischen Voraussetzungen wirken Frauen und Männer unterschiedlich an der Gestaltung und Lösung ökologischer und klimarelevanter Probleme mit. Um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen, sind ein gesundes Wohnumfeld, Zugang zu einer qualifizierten Ausbildung, eine gute Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes und umweltfreundliche, leistbare Mobilitätsangebote von besonderer Relevanz (Stat Wien MA 18 2013). Für die Erreichung von Gleichstellung in Umwelt- und Mobilitätsbelangen ist die gerechtere Verteilung der Care-Arbeit und Erwerbsarbeit eine wichtige Grundlage (Littig 2020; siehe Kapitel D Bezahlte und unbezahlte Arbeit).

Auch im 21. Jahrhundert sind vor allem Frauen für Care-Arbeit (Haus-, Familien- und Versorgungsarbeit, Freiwilligenarbeit) zuständig, welche einen bedeutsamen Einfluss auf die Nutzung des Wohnumfelds haben (Zibell 2021). Aus den vorliegenden Daten ist eine Verbesserung der Umwelteinflüsse im Wohnumfeld zu den vorherigen Jahren (2006/2007, 2014) zu entnehmen. 2019 schätzen 71% der Frauen und 73% der Männer ihr Wohnumfeld als sehr gesund ein. Ein gesundes Wohnumfeld ist eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und trägt zu einer guten Lebensqualität für Frauen und alle Menschen bei (Sturm et al. 2019). Eine ähnliche umweltrelevante Einschätzung der Wiener*innen ist dem Teilbericht „Stadtentwicklung, Mobilität und Umwelt“ der Wiener Lebensqualitätsstudie zu entnehmen. Umweltindikatoren, wie z.B. Probleme mit Luftqualität, Verkehrslärm, Staub, Gerüche und Abgase, die in Zusammenhang mit dem Verkehr stehen, werden dabei abgefragt. In der letzten Auswertung wird eine Verbesserung der negativen Umwelteinflüsse durch die Befragten angegeben (Dorner und Verwiebe 2020).

Zukunftsweisende Umweltberufe als Chance – Erhöhung des Anteils von Frauen in qualifizierten gut bezahlten Green Jobs 

Im Jahr 2018 werden für Wien rund 30.617 Umweltbeschäftigte (inklusive Beschäftigte im Handel mit Umweltgütern und -technologien) geschätzt. Von diesen wird fast die Hälfte der Jobs Frauen zugerechnet. Im hoch qualifizierten Bereich der freiberuflichen Tätigkeiten (z.B. Rechts- und Unternehmensberatung, Architektur, Forschung und Entwicklung) liegt der Frauenanteil bei 52%. Im Bereich der erneuerbaren Energien wird der Frauenanteil auf 47% geschätzt.

Betrachtet man den Frauenanteil in bestimmten Studienprogrammen an den Universitäten, Fachhochschulen und an der Pädagogischen Hochschule in Wien, dann zeigt sich ein geschlechtsspezifischer Unterschied. In den Studienprogrammen der Umweltpädagogik und des Umweltmanagements liegt der Frauenanteil bei zirka 60%, im Bachelor- und Masterstudium der erneuerbaren Energie gibt es weithin einen hohen Männeranteil mit zirka 80%. Herauszustreichen ist eine klare Veränderung im Masterstudium „Architektur – Green Building“, wo der Frauenanteil bei 48% liegt und sich seit dem Studienjahr 2016/2017 verdoppelt hat.

Ähnliche Entwicklungen zeigt bereits die Studie „Zukunftsfähige Berufe. Umweltberufe – modern und vielfältig“ auf (Knoll und Spreitzer 2013). Studienprogramme in pädagogisch und sozialorientierten Bereichen der Green Jobs weisen einen höheren Frauenanteil (68%) auf, während technische orientierte einen hohen Männeranteil (90%) aufweisen. Dies wird in der kritischen Geschlechterforschung damit begründet, dass Erfahrungen und eine geschlechtsspezifische Sozialisation einen bedeutenden Einfluss auf die Berufswahl haben und nicht per se als „Naturgesetze“ oder „biologische Gegebenheiten“ zu sehen sind (ebd.).

Um hier Gleichstellung zu forcieren, gilt es die Anzahl der Frauen in technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen und den Männeranteil in pädagogisch und sozialorientierten zu erhöhen (Knoll und Spreitzer 2013; Littig 2020). Bezogen auf den Arbeitsmarkt in qualifizierten Green Jobs sind in allen Bereichen eine entsprechende Lohnpolitik und Vereinbarkeitsmaßnahmen zu fördern (Littig 2020). Vor allem die Beschäftigung in den Branchen Energie, Verkehr und Bau in Wien sind wichtige Förderbereiche in Ausbildung und Praxis für Frauen (Brandl et al. 2019).

Förderung von gendergerechten Mobilitätsformen wie zu Fuß gehen, Rad fahren und Nutzung des öffentlichen Verkehrs fördern die Gleichstellung von Frauen und Männern

Ein gutes Mobilitätsangebot hat einen wesentlichen Einfluss auf die Alltagsorganisation von Frauen. Ein leistbarer, sicherer, barrierefreier, kombinierbarer Zugang zu nachhaltigen Mobilitätformen ist eine wichtige Ressource für Frauen, um ihre komplexe Alltagssituation zu meistern und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern (Berger 2022).

Die Stadt Wien bietet sehr gute Voraussetzungen für die Förderung von Mobilitätsformen wie zu Fuß gehen, Rad fahren und Nutzung des öffentlichen Verkehrs, die einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emmissionen darstellen und zur Erreichung der Klimaneutralität 2040 beitragen (Stadt Wien 2022). Frauen leisten hier einen zentralen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele und Klimagerechtigkeit. Die aktuelle Auswertung zeigt Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Wahl der Verkehrsmittel. In Wien gehen Frauen (89%) und Männer (86%) gerne zu Fuß. Unterschiede gibt es bei Radfahren, hier liegt der Frauenanteil 10%-Punkte hinter den Männern. Das Auto wird immer noch mehr von Männern genutzt. Frauen zeigen sich umweltbewusst, 47% der Frauen besitzen eine Jahreskarte. Der Anteil der Jahreskartenbesitzer liegt um 10%-Punkte niedriger. Die Mobilitätsbedürfnisse bezogen auf Lebensphase und -situation der Frauen sind sehr unterschiedlich und vielfältig. Verkehrsplanung schafft meist die besten Bedingungen vor allem für jene (vorwiegend Männer), die im Pkw unterwegs sind und übersieht die Hürden für viele andere Verkehrsteilnehmende (Knoll 2022).

Qualitätsvolle, gendergerechte Planung und Gestaltung von Straßenfreiräumen – wie z. B. geringere Geschwindigkeiten (Tempo 30), gute Beleuchtung, ausreichende grüne Infrastruktur (Bäume) und Beschattungselemente (Furchtlehner et al. 2022) sowie des öffentlichen Verkehrs – unterstützen die Alltagsmobilität von Frauen, Mädchen und allen Menschen in einer klimagerechten Stadt (Knoll 2022). Mobilitätsgebote müssen vielfältig und umweltbewusst gestaltet sein, um die unterschiedlichen Lebenslagen von Frauen und Mädchen zu unterstützen (Berger 2022).